Kategorie: Virtuelle Sonderausstellung

Schreiben will gelernt sein

Im Laufe der Jahrhunderte wurde mancherlei Methode entwickelt, um Kindern das Schreibenlernen zu erleichtern. Ganze Alphabete wurden ausgewechselt, um die Schrift fließender und die Anmutung leserlicher werden zu lassen. Und auch heute ist die Diskussion um die Ausgangsschrift – aus der sich die individuelle Schrift entwickelt – im vollen Gange: Braucht es überhaupt den Einstieg über eine Schreibschrift? Genügt nicht eine Druckschrift?
Beispielsatz in fünf verschiedene Handschrifftarten

Der Tanz der Alphabete

Einst wurden in den Schulen verschiedene Versionen der Kurrentschrift gelehrt. Angesichts dürftiger Lehrmittel und angespitzer Gänsekiele als Schreibfedern waren viele Jahre der Übung nötig. Als Mitte des 19. Jahrhunderts dann Schreibhefte mit Übungslinien und Stahlfedern aufkommen, wird das Schreibenlernen allmählich leichter, jedoch erweist sich die Kurrentschrift weiterhin als schwer. Der Wunsch, das Schreiben weiter zu vereinfachen, führt schließlich zur Abschaffung der jahrhundertealten Schrift.

Aus Kurrent wird Sütterlin

Im reformfreudigen 20. Jahrhundert werden mehrfach die Ausgangsschriften neu verordnet. Den Anfang macht 1911 Ludwig Sütterlin, der vom Preußischen Kultusministerium beauftragt wird, eine neue Schrift zu entwickeln, die die althergebrachte Kurrentschrift ab 1914 ablöst. Ganz der Mode der Zeit entsprechend, soll mit diesem Wechsel auch das ästhetische Schönheitsempfinden der Kinder positiv beeinflusst werden.

Aus Sütterlin wird deutsche Normalschrift

Die Nationalsozialisten verbieten die Sütterlinschrift 1941 und führen die sogenannte „Normalschrift“ ein. Mit der Umstellung auf ein lateinisches Alphabet gleicht man in Deutschland die Schrift de facto an die der anderen europäischen Länder an, die fast alle auf dem lateinischen Alphabet fußen. Auf diesem Weg wollen die Nationalsozialisten „die Verbreitung des Deutschen in den eroberten Ländern“ vereinfachen. Offiziell wird der Wechsel damit begründet, die Sütterlinschrift habe jüdische Wurzeln im Mittelalter – eine Propaganda-Lüge.

Und heute?

Im Zuge vieler Reformen und in vielen Versuchsschulen haben PädagogInnen immer wieder neue, auch originelle Konzepte für den Erstschreibunterricht entwickelt. Die Diskussion hält an und steht mit dem digitalen Wandel unter neuen Vorzeichen. Es wird diskutiert, ob die Schreibschrift überhaupt noch zeitgemäß ist oder ob Kinder nicht besser nur Druckschrift lernen sollen, da sich das Schriftbild im Erwachsenenalter mehrheitlich der Druckschrift annähert. So wird heute freigestellt, welche der beiden Alternativen in einer Klasse unterrichtet wird. Was im Bildungsplan bis heute jedoch verbindlich geblieben ist, ist das Ziel, die verbundene Schreibschrift zu vermitteln.

Rechtschreibung adé!?

Nach wie vor offen ist die Frage, ob Kinder das Schreiben nach Gehör lernen oder die Rechtschreibung von Anfang an berücksichtigen sollen. Ist das Erlernen der Rechtschreibung überhaupt noch sinnvoll, wenn technisch ausgereifte Rechtschreibprogramme in allen digitalen Formaten zur Verfügung stehen? Oder stellt sich in Zeiten der automatischen Wortvervollständigung und Spracherkennung die Frage, wie sinnvoll Diktate künftig noch sind?

 

 

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