Samstag, 01. August 2020

Zuckerschachtel aus den 1930er Jahren

Mit dieser besonderen Spanschachtel begleiten wir die ABC-Schützen auf ihrem Weg in die Schule. Die Schachtel stammt aus der Vogtei, einer kleinen Gemeinde im Unstrut-Hainach-Kreis in Thüringen. Hier ist sie unter den Namen Zucker- oder Rosinenschachtel bekannt. Sie soll Kindern den ersten Schultag versüßen.
Mit Blumen bemalte Spanschachtel
Mit Zuckerschachteln wurden ABC-Schützen in der Vogtei/Thüringen der erste Schultag versüßt. Foto: Schulmuseum FN / Slg. Löwe

Diese Zuckerschachtel ist Teil der Sammlung „Schulanfang“ des ehemaligen Hamburger Lehrers Hans-Günter Löwe, die seit Anfang 2020 im Besitz des Schulmuseums Friedrichshafen ist.

Geschichte der Zuckerschachtel
Die Zuckerschachtel ist nur in der Gemeinde Vogtei, bestehend aus den Orten Oberdorla, Niederdorla und Langula, bekannt. Einige der ältesten Exemplare werden um 1850 hergestellt. Ursprünglich dienten die Kisten als Aufbewahrungsmittel für verschiedene Gegenstände. Bis heute bestehen sie aus Weichholz. Ab dem 13. Jahrhundert beginnt man Spanschachteln mit Farben und Mustern zu verzieren. So werden Zuckerschachteln mit passenden Motiven oder Sinnsprüchen zum ersten Schultag versehen.

Am Einschulungstag bringen die Eltern in aller Frühe die Schachteln in die Schule. Hier werden die Rosinenschachteln vom Lehrer oder der Lehrerin an die aufgeregt wartenden Kinder verteilt. Wie bei der Schultüte gibt es die Geschichte vom Schachtelbaum, an dem die Zuckerschachteln wachsen und zum ersten Schultag geerntet werden. Nach der Übergabe der Kisten an die Kinder werden die Zuckerschachteln in ein Tuch gewickelt. Nun beginnt das sogenannte „Herzeigen“. Die Erstklässler werden auf dem Heimweg von Verwandten und Bekannten nach ihrer Schachtel gefragt. Sie zeigen ihre Zuckerschachtel und bekommen dafür ein kleines Geschenk in Form von Geld oder einer weiteren kleineren Zuckerschachtel überreicht.

Oft befinden sich die Rosinenschachteln über mehrere Generationen im Besitz der Familie und werden an die nächsten Erstklässler weitervererbt. Wer keine eigene Zuckerschachtel hat, leiht sich diese von Bekannten für den großen Tag aus. Als Dankeschön für die ausgeliehene Schachtel bekommen ihre Besitzer von den Kindern eine kleine Kiste mit Süßigkeiten überreicht.

Zuckertüte und Zuckerschachtel
Der Brauch der Zuckerschachtel wird bis heute gepflegt. Bis in die 1930/40er Jahre waren Rosinenschachteln bei den Schulkindern in der Vogtei sehr beliebt und wurden von den bis dahin vereinzelt auftauchenden Schultüten verdrängt. Seit den 1980er erfreut sich der Brauch wieder neuer Beliebtheit.

Auf die Spur der Zuckerschachteln kam Hans-Günter Löwe in einem Urlaub in der Gemeinde Vogtei. Er entdeckte die Schachtel auf einem Bild zum Ersten Schultag. Dies weckte sein Interesse an diesem besonderen regionalen Brauch.

Pascal Koths (wissenschaftl. Volontär)