Freitag, 01. November 2019

Buch „Aus dem Leben der Pflanze“

Das Objekt des Monats November ist ein Buch, das 1927 für einen Bruch der Pädagogik in jener Zeit steht - dem Arbeitsschulgedanken: Statt mit ewigem Auswendiglernen und exaktem Abschreiben von Texten sollen Kinder zum selbständigen Erarbeiten, Beobachten und Experimentieren angeregt werden.
Doppelseite im Buch mit Experiment
Mit genauen Anweisungen können Schulkinder die Experimente ausprobieren.

„Wir wollen die Schüler nicht nur mit morphologischen Dingen bekannt machen, sondern vor allem mit dem Leben der Pflanze. Das äußere Leben können wir durch fleißige Beobachtungen erforschen, das innere jedoch nur durch physiologische Versuche, d. h. durch Fragen, die wir an die Pflanze selbst richten, welche uns diese Fragen je nach der Art unserer Versuchsanordnung selbst beantwortet. Ohne Versuche würde dem botanischen Unterricht etwas Wichtiges und Bleibendes fehlen.“ H. Kühner, 1927

Das Zitat stammt aus dem Buch „Aus dem Leben der Pflanze, 100 Schulversuche, mit 32 Figuren und 9 Bildern“ des Oberlehrer H. Kühner (Reutlingen) aus dem Jahr 1927. Kühner versteht sein Buch als Hilfsmittel für die Lehrerschaft um „[…] den Arbeitsschulgedanken zwanglos und einfach mit einzelnen Schülern oder gruppenweise durchzuführen.“ Die Schülerinnen und Schüler sollen zum Beobachten und zum Experimentieren gebracht werden sowie sich mit den gesammelten Ergebnissen befassen und diese verinnerlichen. Obwohl Kühner seine Versuche im Rahmen eines Ferienkurses für Lehrer bereits 1910 vorstellt und zusammenträgt, steht dieses Buch für eine Veränderung des Unterrichts, die in der Weimarer Republik (1919 bis 1933) ihren Durchbruch erlangt und zu einer erneuten Auflage seines Buches führt. In jener Zeit kommt es zum Bruch mit den alten Tradition, ewiges Auswendiglernen, genaues „Abschreiben“ von Texten und exaktes Kopieren von Vorlagen des Lehrers im Kunstunterricht werden durch verschiedene reformpädagogische Einflüsse gebrochen und abgelöst.. Dies gehört heute zum Schulalltag dazu, aber das war nicht immer so.

Der sogenannte Arbeitsschulgedanke, den Kühner in seinem Vorwort erwähnt, geht auf den Pädagogen Georg Kerschensteiner (1854 bis 1932) zurück und hat das Ziel, dass die Kinder selbstständig zu einem Thema arbeiten, beobachten, experimentieren und über die Ergebnisse diskutieren. Der Lehrer wirkt als Helfer. Die Kinder sollen sich als Gemeinschaft erleben, was den Erwartungen an die schulpolitischen Reformen der Weimarer Republik entspricht, die die Kinder für Gemeinsinn und Demokratie gewinnen möchten. Neben staatspolitischer Bildung (Heimatkunde) und einem Hervorheben handwerklicher Tätigkeiten (bei Jungen ist es Werken und bei den Mädchen das Handarbeiten) werden alle Fächer von diesem Geist beeinflusst.

Deutsch: Frühes Ziel des Deutschunterrichtes ist die Entwicklung einer individuellen Handschrift der Kinder. Als Hilfe dienen vereinfachte Schriften der Kurrentschrift, wie der Sütterlin-Schrift (1911 bis 1942). Die Schülerinnen und Schüler sollen ein Gespür für die deutsche Schrift und Sprache entwickeln sowie Freude am Schreiben und Lesen finden.

Mathematik: Hier wird der Schwerpunkt auf die grundlegenden Rechenarten (Addition, Subtraktion, Division, Multiplikation, Bruchrechnen, Dreisatz) gelegt. Die Lernenden sollen selbstständig zu den verschiedensten Aufgaben eine Lösung finden.

Kunst: Mussten die Kinder zuvor noch Bilder nach einer Vorgabe des Lehrers bzw. Lehrerin erstellen, so wird ihnen nun ein Thema vorgegeben und sie können das nach ihren eigenen Ideen ausführen. Dies fördert ihre Kreativität.