Mittwoch, 01. Juni 2022

Brettspiel „Kamerun-Spiel“

Manche Brettspiele spiegeln die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ihrer Zeit. So kommen während des Deutschen Kaiserreichs (1871 bis 1918) Brettspiele auf den Markt, die die deutschen Kolonien und kolonialen Interessen thematisieren. Sie sollen rassistisch koloniales Denken und die angeblichen Herrschaftsansprüche der Deutschen verbreiten.
Verpackung des Spiels

So auch das „Kamerun-Spiel. Ein höchst interessantes Schlachten-Spiel für Jung und Alt“. In seinen Regeln ähnelt es dem Schachspiel.  Die zwei sich gegenüberstehenden „Armeen“ bestehen jeweils aus Infanterie, Kavallerie und Artillerie. Deutsche Soldaten mit Kanonen, Pferden und Gewehren stehen Einwohner Kameruns mit Kamelen, Pfeilen und Bögen gegenüber. Gewonnen hat, wer die „hinterste Linie der feindlichen Position“ erreicht, den „Feind“ umzingelt oder ihm eine der drei Truppengattungen abgenommen hat. Und auch in den Abbildungen auf dem Spieldeckel und dem Spielplan wird die militärische Überlegenheit der Deutschen deutlich inszeniert. Die deutschen Soldaten erscheinen im Gegensatz zu den Kämpfern aus Kamerun geordnet, strukturiert und gut ausgestattet.

Das Deutsche Reich erwirbt zwischen 1894 und 1899 mehrere Kolonien in Afrika, im Pazifik und in Nordostchina. Kamerun wird im Juli 1884 zum deutschen „Schutzgebiet“ erklärt und Teile des Landes und seiner Bevölkerung gewaltsam unterworfen. Das Deutsche Reich ist besonders an Kameruns Rohstoffen interessiert und errichtet große Plantagen, beispielsweise für Kaffee, Tee, Kakao oder Kautschuk. Deren Ausbau fußt meist auf Zwangsarbeit und Enteignungen der einheimischen Bevölkerung. Gewalt ist allgegenwärtig. Zur Strafpraxis gehören Auspeitschungen, Prügelstrafen und Kettenhaft. Mehrfach kommt es in Kamerun zum Widerstand gegen die brutale Kolonialherrschaft, der aber gewaltsam niedergeworfen wird. Die Kampfszenen auf dem Spiel sind damals somit hoch aktuell.

Die Mehrheit der Deutschen unterstützt die Kolonialpolitik. Die Kolonien in ihrer „exotischen“ Fremdheit faszinieren viele Deutsche. Puppen, Bilderbücher, Spielzeuge und Gesellschaftsspiele der Zeit spiegeln das wider. Die Kolonie Kamerun findet besonders zum Weihnachtsfest 1885 Eingang in die Läden. So wird spielerisch rassistisch koloniales Denken über Kamerun und dessen Bevölkerung transportiert. Verharmlost wird dabei das brutale Vorgehen gegen die Einwohnerinnen und Einwohner. Vorstellbar ist, dass auch das „Kamerun-Spiel“ für das Weihnachtsgeschäft 1885 auf den Markt kommt, das Spiel selbst ist undatiert.

Die koloniale Fremdherrschaft der Deutschen endet im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918). Kamerun wird zunächst unter britische und französische Verwaltung gestellt und 1960 schließlich unabhängig.

Karin Oelfke (wissenschaftl. Volontärin)

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