Montag, 01. März 2021

Wurfspeer

Bei der Neugestaltung unserer "Turnwand", die nach der Wiedereröffnung des Museums den Turnunterricht an Schulen in den Fokus rückt, taucht in unserem Depot dieser Speer auf. Seine Bedeutung für den Sportunterreicht in der Schule und für die Geschichte der Leibesübungen an sich macht ihn zu unserem Objekt des Monats.
Eine Hand mit einem Speer

Der Wurfspeer ist ein traditionsreiches Sport-, Jagd – und Kampfgerät. Es gibt zu dem Exemplar aus der Sammlung des Schulmuseums keine Hinweise über seine Herkunft und sein Alter, doch er zeigt deutliche Gebrauchsspuren. So etwa Klebereste einer möglichen Griffwickelung. Er ist 2,60 Meter lang, verjüngt sich zu beiden Enden und besteht aus Aluminium mit einer eisenverstärkten Spitze.

Gezielt werfen ist eine Fähigkeit des Menschen, die ihn vom Tier unterscheidet, die Bewusstsein, Rationalität und Denken voraussetzt.  Der US-amerikanische Kulturhistoriker Alfred W. Crosby stellt unter Berufung auf die Gehirnforschung dar, dass das gezielte Werfen neuronale Grundlagen voraussetze, aus denen sich erst menschliche Intelligenz und Sprache entwickeln können.

Die Geschichte des Speerwerfens

Das Werfen von Steinen, Bällen oder Speeren gehört wie das Laufen oder das Springen zu den universalen, also in verschiedenen Kulturen und Zeiten entstandenen Grundformen der Leibesübungen. Ihren Ursprung haben die Speere jedoch im Kampf und in der Jagd. 1983 werden im Harz acht Holzspeere gefunden, zwischen 300.000 und 400.000 Jahre alt. Der Frühmensch Homo erectus, also der aufgerichtete Mensch, konnte mit ihnen bis zu 70 Metern weit werfen. Die griechische Antike (8. Jh. bis etwa 30 v. Chr.) beeinflusst wie keine andere Kultur ab der Renaissance, der Wiedergeburt der Antike, das europäische Geistesleben. In der Antike spielt der sportliche Wettkampf, der Agon, religiös-kultisch eine große Rolle. Und Athleten werfen hier neben dem tellerartigen Diskus auch Speere. Antike Abbildungen zeugen davon. Das mag auch erklären, dass das Speerwerfen spätestens mit den Olympischen Spielen der Neuzeit ab 1908 wieder auftaucht.

Die „Gymnastik für die Jugend“ (1793) des Aufklärers und Vordenkers des Sportunterrichtes, Johann Christoph Friedrich GuthsMuths, schließt hier an: „Eine andere altgriechische Uebung war das Wurfspießwerfen […] Man faßt dieses einfache Instrument im Gleichgewicht, das ist, so ziemlich, in der Mitte, mit den Fingern“.

Speerwerfen in Sport und Schule

Das Speerwerfen bleibt nicht den Männern vorbehalten: Bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin zum Beispiel treten Frauen als aussichtsreiche Speerwerferinnen an. Der Speer ist ein Beispiel dafür, wie sich Material, Konstruktion und Wurftechnik auf die erzielten Weiten auswirken. Als Leichtathleten mehr als 100 Metern werfen, stellt sich die Frage nach der Reduzierung der Wurfweite im Sinne der Sicherheit für Kampfrichter*innen und Publikum. Heute sind die Wettkampfspeere für Männer um die 2,70 Meter lang und wiegen 800 Gramm. Der Weltrekord von Jan Zeleszny (1996, Tschechische Republik) liegt bei 98,48 Metern.

Heute wird in den Schulen kaum noch Speerwerfen als leichtathletische Disziplin gelehrt, allenfalls in der gymnasialen Oberstufe im Neigungsfach Sport – aus Sicherheitsgründen und weil die Wurftechnik komplex ist.

Friederike Lutz, Museumsleitung

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