Lehrmittelkasten „Kampf dem Verderb!“
„Kampf dem Verderb!“ ist mehr als nur ein Spruch zur Vermeidung von Abfällen. Es ist eine Kampagne, die 1936 im Rahmen eines Vierjahresplanes von den Nationalsozialisten ins Leben gerufen wird und zum sparsamen und sorgsamen Umgang mit Nahrungsmitteln und Konsumgütern aufruft. Die Versorgungslage angespannt – wirtschaftspolitische Entscheidungen der Regierung sind der Grund dafür. Warenimporte aus dem Ausland werden eingeschränkt und eine deutsche Autarkie angestrebt, der Fokus der Handels-beziehungen liegt auf rüstungsrelevanten Rohstoffen. Der Vierjahresplan ist aber nicht nur auf die Sparsamkeit konzentriert – es ist auch eine Maßnahme zur Kriegs-vorbereitung, da die Aufrüstung dadurch beschleunigt werden soll. Es ist also auch eine Vorbereitung auf das Leben in Kriegszeiten, in der viele Güter knapp werden.
Die Kampagne gilt besonders Lebensmitteln, denn hier ist die Versorgung am schlechtesten: Zum Beispiel sind Fette wie Butter, Schmalz, Margarine und Talg nicht ausreichend vorhanden und die Ausgabe wird stark kontrolliert und reglementiert. Weil die Hausfrau in der Regel für das Kochen und den Haushalt zuständig ist, richtet sich die über Schulen hinausgehende Werbekampagne besonders an sie. Es erscheinen Broschüren, Kochbücher, Filme und Radiosendungen, in denen die Hausfrau lernt, wie sie Lebensmittel sparsam und restlos verwerten oder auch ersetzen kann. Es werden beispielsweise bis 1940 etwa 8,8 Millionen Werbebroschüren gedruckt, die aufzeigen, wie Quark als Butterersatz eingesetzt werden kann. Aber auch Kleidung sollte geschont werden: Bücher wie „Kampf dem Verderb! Wäscheschäden, wie sie entstehen und wie man sie verhütet“ zeigen, dass mit Textilien umsichtig und ressourcenschonend umgegangen werden soll.
Neben der Einsparung geht es den Nationalsozialisten mit der „Kampf dem Verderb“-Kampagne darum, die Menschen zu erziehen, ihren Teil zur „Volksgemeinschaft“ beizutragen. Mit dem Begriff wird das Ideal der solidarischen Gemeinschaft propagiert, in der alle „rasserein“ sind und sich füreinander einsetzen. Parolen wie „Gemeinnutz vor Eigennutz“ sind sprechend dafür, zielen auf die Einheit und Einheitlichkeit der Bevölkerung ab und schwören darauf ein, dass es um „das große Ganze“ in Abgrenzung von dem Nichtarischen geht. Der Umgang mit Lebensmitteln und Gütern ist keine Privatsache, sondern wird gezielt ideologisiert.
Susanne Appl (Wissenschaftliches Volontariat)