Gartenfibel von Beate Hahn

Anlässlich der Jahrestagung des Netzwerks „Frauen in der Geschichte der Gartenkultur“ am 19. und 20. September 2025 in Friedrichshafen stellen wir dieses Gartenbuch aus unserer Bilderbuchsammlung vor.
Die Fibel erklärt Schritt für Schritt die Grundlagen des Gärtnerns: von der Aufbereitung der Erde über die geeignete Kleidung und das passende Gerät hin zur Orientierung der Gartenarbeit am Jahreslauf. Welche Pflanzen in welchem Monat zu setzen, zu pflegen und zu ernten sind, erfahren die Leser auf 32 Seiten. Ursel und Esther Bartning illustrieren die Gartenfibel mit dekorativen und informativen Zeichnungen. Sie bilden Blumen, Kräuter und Gemüsepflanzen ebenso wie Geräte und Gefäße ab, die jeweils für Balkon oder Beet geeignet sind. Und ganz kindgerecht zeigen sie Mädchen wie Jungen pflanzend, Blumen pflückend, erntend.
„Das Kind, das in diesem festen Zusammenhang mit Mutter Erde aufwächst, wird […] den Großstadtgefahren trotzen.“ Damit ist der sozialpolitische Rahmen für Beate Hahns Ideen zur Garten- und Naturerziehung in der Großstadt gesetzt. Beate Jahns Anspruch ist es, der Jugend als Deutschlands Zukunft Pflege und Bildung angedeihen zu lassen. Damit ist sie auf der Linie vieler Reformpädagogen, die der Verelendung und Verwahrlosung von Großstadtkindern entgegenwirken wollen. Hahns Fokus richtet sich auf die heilende Kraft im Umgang mit dem Garten. Aber auch die Charakterbildung liegt ihr am Herzen. So heißt es am Ende ihres Vorwortes: Die Gartenarbeit „erzieht euch zur unbedingten Ordnung, Pünktlichkeit und einem Fleiß, der sich durch keinen Misserfolg zurückschrecken lässt.“
Sie wird als Beate Jastrow 1894 in eine intellektuelle jüdische Familie in Berlin geboren, wächst dort auf und wird zur Gärtnerin ausgebildet. Nach 1933 darf sie als „nichtarische“ Autorin in Deutschland nicht mehr veröffentlichen. So erscheint ihre Gartenfibel in der Schweiz. Am 11. September 1920 heiratet sie Franz Hahn. Dessen Bruder Kurt Hahn gründet 1919 die Schule Schloss Salem und teilt seine reformpädagogischen Ideen von Erlebnispädagogik mit seiner Schwägerin.
Beate Hahn schreibt Fachartikel für die „Blätter für die deutsche Hausfrau“ ebenso wie für die „illustrierte Landwirtschaftliche Zeitung“ oder „Die Gutsfrau“. Ihr Augenmerk gilt aber vor allem den Kindern, für die sie mehrere Gartenbücher schreibt. Sie ist eine „Kindergärtnerin“ im Wortsinne. Sie fordert freien Zugang zu den öffentlichen Rasenflächen, zum Beispiel im Berliner Tiergarten, und Planschwiesen, Luftbäder und Spielplätze. Kinder sollen auch in der Stadt Natur erleben.
1933 stirbt ihr Mann bei einem Lawinenunglück. Nach ihrer Flucht aus Deutschland 1938 über England lebt sie in Wohlstand in den USA. Sie bleibt ihrem Thema auch in Amerika treu: Um die Landflucht einzudämmen, versucht sie Kindern und Jugendlichen auf ihrem Areal in New Hampshire Vorteile und Schönheit des Landlebens zu vermitteln. Sie schreibt weiterhin und hält Vorträge zum Gartenbau. Für ihren Gartenanbau orientiert sie sich an der biodynamischen Wirtschaftsweise der Anthroposophen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hält sie den Kontakt nach Deutschland. 1970 stirbt sie in Tarrytown, New York, an Krebs.
Dr. Friederike Lutz
Quelle: Clemens Alexander Wimmer – Gärtnerin zwischen zwei Welten. Zum Leben und Werk der Gärtnerin Beate Hahn (1894-1970). In: Zandera, Mitteilungen aus der deutschen Gartenbaubibliothek 39 (2024), Nr. 1. S. 10ff.