2014: Steckenpferd und Zinnsoldat - Kindheit um 1900
Der Militarismus in der damaligen Gesellschaft prägte nicht nur den Alltag der Erwachsenen. Im Schulsport übten Jungen das Exerzieren, im Kinderzimmer fanden sich Zinnsoldaten oder die Kriegsflotte als Blechspielzeug, der Matrosenanzug wurde zum beliebten Kleidungsstück für Mädchen und Jungen. Kaisers Geburtstag, Sedanfeiern und die Kriegsbegeisterung waren fester Bestandteil in den Schulen. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges wich die Begeisterung der Realität. Lehrer wurden eingezogen und Schüler hatten an der „Heimatfront“ zu dienen.
Das historische Klassenzimmer um 1900 wird zum Mittelpunkt der Sonderausstellung und neu beleuchtet. Objekte aus dem Kinderalltag ergänzen die historischen Bänke und Exponate und zeigen eindrücklich, wie anders das Leben der Schulkinder früher war: Die Ausstellung zeigt Spielzeuge, Fotografien und Habseligkeiten aus der Lebenswelt der „kleinen Soldaten“. Das Klassenzimmer von 1900 bietet den Einblick in den Alltag der damaligen Schulzeit. Und Leibesertüchtigung wie anno dazumal im Klassenzimmer können an der Erlebnisstation selbst ausprobiert werden.
Die Gesellschaft zu Zeiten des Kaiserreichs
Am Ende des 19. Jahrhunderts blickten die Zeitgenossen auf viele einschneidende Ereignisse und Entwicklungen zurück, die einen großen Wandel in Politik und Gesellschaft verhießen. Unter anderem wurden nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 die deutschen Staaten zum Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm I. geeint. Mit der Thronbesteigung Wilhelms II. wurde das Militärische im Alltagsleben noch wichtiger. Im Kaiserreich, aber auch in den europäischen Nachbarländern wuchs das Ansehen der Soldaten. Statt des guten Anzugs trugen Männer an Sonn- und Feiertagen Uniform und folgten darin dem Beispiel des Kaisers.
Der Aufbau einer Kriegsflotte und der Erwerb von Kolonien kündeten von der militärischen Aufrüstung und dem Streben des Deutschen Reiches nach einer Weltmachtstellung. Das Deutsche Reich stand in Konkurrenz zu den europäischen Großmächten Frankreich und England. Als das jahrelange Austarieren des fragilen Kräftegleichgewichts zwischen den Staaten endete, brach der Erste Weltkrieg aus. Mit ungeahnter Wucht wirkte er auf die beteiligten Länder ein und stellte auch die Welt der Kinder und Jugendlichen auf den Kopf.
Schule im Jahr 1900
„Aufrecht in der Schulbank sitzen! Brust raus! Augen geradeaus!“ So klang es aus manchem Klassenzimmer des Kaiserreiches. Es war üblich, Kinder sehr autoritär zu erziehen, und manch ein Lehrer pflegte denselben zackigen Befehlston, wie man ihn auf dem Kasernenhof hören konnte. Der Unterricht wurde fast ausschließlich frontal gehalten, Bildung mit Wissen gleichgesetzt. So mussten die Schüler zahllose Geschichtsdaten, Namen von Pflanzenteilen oder geografische Angaben auswendig lernen. Hierbei wurde mit viel Nachdruck auch die sittlich-religiöse ‚Menschenformung‘ betrieben: Ordnung, Disziplin und Gehorsamkeit waren in allen Schularten äußerst wichtige Bildungsziele. Die Schüler wurden nicht wie heute zu eigenverantwortlichem Verhalten und einer selbstbewussten Haltung ermutigt. Sie sollten sich anpassen und unterordnen.
Der kleine Ingenieur und die kleine Hausfrau
Die bürgerliche Familie war das Ideal der Zeit. Die Mutter und Hausfrau wachte über den Haushalt sowie die Erziehung und Ausbildung der Kinder, der Vater und Hausherr sorgte für das Einkommen und die Kontakte außerhalb des Hauses. Dieses Ideal war für viele Arbeiterfamilien und auch kleinbürgerliche Familien aus wirtschaftlichen Gründen unerreichbar. Dennoch bestimmte es in allen Schichten die Rollenverteilung. Dies wurde z.B. beim Spielzeug offensichtlich. Während Mädchen im Spiel ihre späteren Aufgaben rund um Haus, Familie und Hauswirtschaft kennen lernen sollten, sollten die Jungen für Technik, Wissenschaft oder das Militär interessiert werden.
All diese Facetten zeigt die Sonderausstellung des Schulmuseums von Mai 2014 bis April 2015. Mit zahlreichen Exponaten und sprechenden Zeugnissen aus jener Zeit.