Sonntag, 01. Dezember 2019

Schulpuppenstube aus 1920

Der Mensch will spielen. Spielend erkundet er die Welt. Zeitgeist und das Umfeld des Kindes prägen das Spielzeug, auch das, das vielleicht an Weihnachten unter dem Baum liegt. Ein beliebtes Weihnachtsgeschenk ist auch heute noch die eine oder andere Puppenstube. Unser Objekt des Monats stellt hierbei eine besondere Spielart dar.
Die Schulpuppenstube stellt detailreich ein Klassenzimmer dar
Viele feine Details machen die Schulpuppenstube so realitätsnah

Die Schulpuppenstube aus der Sammlung des Schulmuseums Friedrichshafen wird um 1920 gefertigt. Sie ist den damaligen Klassenzimmern nachempfunden. So hängen Schulwandbilder zu verschiedenen Themen (hier Erdkunde und Biologie) an den Wänden und auf den Tischen liegen kleine Schiefertafeln. Natürlich darf auch der Schulranzen nicht fehlen.

Die oftmals detaillierte Nachbildung der Welt der Erwachsenen und Kinder in Puppenhäusern und Puppenstuben hat einen pädagogischen Hintergrund und ist vorrangig für Mädchen gedacht. Ziel ist es, sie mit diesen Häusern und Stuben spielerisch auf ihre späteren Aufgaben als Hausfrau und Mutter vorzubereiten. Sie beobachten die Erwachsenen und ahmen diese in der Miniaturwelt nach. Zum genaueren Verstehen helfen ihnen die detailgetreuen Nachbildungen der verschiedenen Haushaltsgegenstände. Auch das Einüben von Ordnung und der wertschätzende Umgang mit zerbrechlichen Gegenständen gehören zum Lernprozess. Für Jungen gibt es neben Zinnsoldaten, Ritterburgen und anderem militärischen Spielzeug den Kaufmannsladen. Mit ihm sollen sie das Kaufmannshandwerk spielerisch erlernen.

Schulpuppenstuben bereiten die Kinder auf den so genannten Ernst des Lebens vor. Sie übernehmen die Rolle des Lehrers bzw. der Lehrerin und wollen den Puppenschülern Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen. Auch das angemessene Verhalten in der Schule wird nachgespielt. Im Spiel üben sie die von den Eltern gewünschten Verhaltensweisen ein.

Die Geschichte der Puppenhäuser und Stuben reicht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Hier findet man sie in den Häusern der Patrizier (wohlhabende Bürger) und Adeligen. Diese lassen die aufwändigen Puppenhäuser nach dem Vorbild ihrer eigenen Wohnhäuser bis ins kleinste Detail nachbauen, um damit ihren Reichtum zu zeigen. Erst in der Zeit des Biedermeier (1815 bis 1848) und auch vereinzelt in den Jahren zuvor entwickelt sich die Puppenstube zum Spielzeug für Kinder. In den 1850er Jahren bilden sich in Sachsen, Thüringen und im Gebiet des heutigen Baden-Württemberg Zentren dieser Spielzeugindustrie. Diese zu Beginn in Heimarbeit und später industriell hergestellten Puppenhäuser können sich nur die reicheren Bevölkerungsgruppen leisten. In ärmeren Familien werden die Puppenstuben selbst gebaut. Die Väter übernehmen den „Hausbau“ und die Herstellung der Möbel. Die Mütter sind für die Kleinteile sowie für die Vorhänge und Kleider der Puppen zuständig. Meist haben die Kinder der unteren Bevölkerungsschichten keine Zeit zum Spielen, da sie arbeiten müssen. Die Vorstellung ist nicht abwegig, dass sie dabei helfen, Puppenstuben für ihre reicheren Altersgenossen herzustellen. Denn Spielen und Spielzeug sind seinerzeit Privilegien der wohlhabenderen Schichten.

Pascal Koths (wissenschaftl. Volontär)