Mittwoch, 01. Dezember 2021

Adventskalender aus der DDR

Viele Kinder und Erwachsene freuen sich darauf, im Dezember wieder jeden Tag ein Türchen in ihrem Adventskalender zu öffnen. Auch in der DDR war das schon so. Weil da allerdings christliche Motive vermieden werden sollten, verbildlichen die "vorweihnachtlichen Kalender" ganz andere Themen, wie unser Objekt des Monats zeigt.
Adventskalender aus der DDR

Adventskalender werden vereinzelt bereits im 19. Jahrhundert für Kinder gebastelt. Mit ihnen wollen Eltern die Wartezeit bis Heiligabend verkürzen. Der Münchener Verleger Gerhard Lang stellt 1908 den ersten gedruckten Bilderkalender her. Andere Verlage greifen die Idee schnell auf, und bereits in den 1930er Jahren kann man Adventskalender in vielen Teilen Deutschlands und Europas kaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg steigt die Zahl der Hersteller nochmal stark an. Bilderadventskalender werden mit vielen verschieden Motiven, beispielsweise religiösen Szenen, Weihnachtsszenen und Märchendarstellungen, verkauft.

Adventskalender sind auch in der DDR beliebt, doch das christliche Weihnachtsfest passt nicht in die atheistische Weltanschauung des DDR-Regimes. Das Weihnachtsfest wird weiterhin gefeiert, aber christliche Motive und Namen werden vermieden. So heißt der Adventskalender offiziell „vorweihnachtlicher Kalender“. Kalender mit christlichen Motiven dürfen bis 1973 nicht gedruckt werden. Stattdessen thematisieren die Kalender Winterszenen, junge Pioniere oder die Raumfahrt. 

Auch das Objekt des Monats, ein Adventskalender mit Raumfahrtmotiven, kommt ohne christliche Elemente aus. Auf dem Kalender, der 1961 im ostdeutschen Verlag VEB Bild und Heimat erscheint, sind Mädchen und Jungen in einer Teleskopkuppel zu sehen. Hinter den 24 Türchen verbergen sich Sterne, Raketen, Planeten oder Astronauten. Nur wenig deutet auf das Weihnachtsfest und die Vorweihnachtszeit hin. Hinter dem 24. Türchen ist ein Tannenbaum abgebildet. Unter diesem liegt ein Kasten mit der Aufschrift „Sputnik-Spiel“. Dies deutet auf die historischen und technischen Entwicklungen der Zeit hin.

Im Kalten Krieg (1947 bis 1991) konkurrieren der Ostblock und die westlichen Staaten unter Führung der USA miteinander. Ein Wettlauf in der technischen Entwicklung, besonders der Raketentechnik und der Rüstung entsteht. Jeder Vorsprung des anderen Blocks wird als Bedrohung der eigenen Sicherheit angesehen. Im Oktober 1957 kann die Sowjetunion, für die westlichen Staaten überraschend, den ersten Satelliten, Sputnik 1, ins Weltall schießen. In der DDR sorgt der Start von Sputnik 1 für Euphorie. In Kino, Literatur und Fernsehen erleben Science-Fiction und Raumfahrtthemen eine Blütezeit. Die sogenannten Kosmonauten werden als Helden verehrt, auch bei den Kindern ist die Begeisterung groß. Für sie gibt es beispielsweise Kosmonauten-Spielfiguren, Raketenmodelle oder eben Adventskalender wie das Objekt des Monats mit Raumfahrtmotiven zu kaufen.

Der Adventskalender mit Raumfahrtmotiven ist ein Beispiel dafür, wie die SED versucht, unter Beibehaltung der Rituale religiöse Bezüge aus der christlichen Advents- und Weihnachtszeit möglichst herauszuhalten. So ist auf ihm fast nichts abgebildet, was an die Weihnachtszeit erinnert. Mit dem „Sputnik-Spiel“ wird stattdessen ein damals aktuelles technisches und politisches Thema aufgegriffen.

Karin Oelfke (wissenschaftl. Volontärin)