Die Deutsche Stäbchenschrift
Die Weimarer Republik (1918 bis 1933) ist eine Zeit der Veränderungen und Experimente, in der auch in den Schulen oft Neues ausprobiert wird. Die Reformpädagogik, die sich im Deutschen Reich um 1900 entwickelt, setzt darauf, dass Kinder sich selbsttätig und spielerisch Wissen aneignen. Vielerorts soll auch das Lesen und Schreiben auf diese Art vermittelt werden. Ein Konzept hierfür ist das Stäbchenlegen, bei dem die Kinder mit runden und gebogenen Stäbchen Großbuchstaben legen. Auf diese Weise sollen sie weniger abstrakt an die Buchstaben herangeführt werden.
Die Fibel „Dorfschule für deutsche Sprech- und Lesefertigkeit“ aus 1930 stellt die „Deutsche Stäbchenschrift“ vor. Entwickelt wurde sie vom Pädagogen und Autor des Buches, Maximilian Schlegl, um Kindern das Schreiben-Lernen zu erleichtern. Zunächst sollen die Kinder die Buchstaben mit den Stäbchen legen, um sie anschließend auf einer Schiefertafel oder in einem Heft nachzumalen. Das Besondere an Schlegls Stäbchenschrift ist, dass sowohl Groß- als auch Kleinbuchstaben gelegt werden und dass es nur eckige, keine gebogenen Buchstaben gibt. Sie gibt nicht nur Buchstaben, sondern auch ganze Wörter und kurze Sätze vor.
Auch heute noch werden viele Ideen und Methoden aus der Reformpädagogik aufgegriffen und gehören längst zum Alltag an vielen Schulen, zum Beispiel Projekttage, selbstständiges Lernen oder die Wahl von Klassensprecher*innen. Die „Deutsche Stäbchenschrift“ hingegen ist lediglich ein einzelner Versuch, eine neue Methode des Schreiben-Lernens einzuführen. Sie ist im Laufe der Jahre zum historischen Kuriosum geworden und kommt heute höchstens durch Zufallsfunde in Schulmuseen zu größerem Ruhm.