Das Winterhilfswerk
Sie erfreuen sich großer Beliebtheit – ob ideologisch geprägt wie beispielsweise die Abzeichen mit Hakenkreuzen, germanischen Runen und kriegsverherrlichenden Panzern oder mit eher alltäglichen Motiven wie Märchenfiguren, bunten Tonschmetterlingen oder Vögeln. Mit einer an der Plakette befestigten Nadel kann das Abzeichen für jede und jeden sichtbar an der Kleidung getragen werden.
Das Winterhilfswerk mobilisiert die „Volksgemeinschaft“. Darunter stellen sich die Nationalsozialisten den Weg zu einer konfliktfreien, „arischen“, klassenlosen und führertreuen Bürgerschaft vor, in der das Individuum mit der Gemeinschaft verschmilzt. Das Winterhilfswerk soll ab September 1933 durch verschiedenste Spendenaktionen wie Straßen- und Haussammlungen, Lotterien, Kulturveranstaltungen, Kleidungs- und Sachspenden und dem so genannten Eintopfsonntag die Armut mindern.
Weil auch die Propaganda dem Hilfswerk eine große Bedeutung beimisst, ist dieses bald nicht mehr aus dem nationalsozialistischen Alltag wegzudenken. Die Freiwilligkeit der Spenden ist zwar stets betont, über die Haussammlungen von nationalsozialistischen Jugendorganisationen, Sturmabteilung (SA), Schutzstaffel (SS) und der Wehrmacht baut das nationalsozialistische Regime jedoch einen hohen sozialen Druck auf. Diejenigen, die weniger spenden, haben Sanktionen wie beispielsweise gezielte Terroraktionen auf die Familie im Alltag zu erwarten. Behörden, die Einsicht auf die Spenderlisten haben, können so auch gezielt die Bürgerinnen und Bürger abhängig von ihren Spenden unterschiedlich behandeln. Als Vorbild gilt, wer durch Spenden und Sammeln eine große Opferbereitschaft zeigt. Dies passiert auch in der Schule: Schon in jungen Jahren sensibilisiert man die Kinder für das Winterhilfswerk und animiert sie mit Mal- und Bastelaktionen zur Unterstützung der Hilfsbedürftigen.
Wer aber hilfsbedürftig ist, entscheiden die Nationalsozialisten. Während „Mischjuden“ in den ersten Jahren noch vom Winterhilfswerk unterstützt werden, müssen die als jüdisch Verfolgten 1935 die jüdische Winterhilfe gründen. Ebenfalls ausgeschlossen von den Spenden sind beispielsweise „Erbkranke“ sowie Alkoholabhängige oder Sinti und Roma. Unterstützungswürdig sind „erbgesunde“, kinderreiche Familien sowie Kriegsgeschädigte, Kriegshinterbliebene und alle systemtreuen Hilfsbedürftigen.
Anfangs fließen die Spenden hauptsächlich in die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut – ab 1937 finanziert das Winterhilfswerk Teile der NS-Volkswohlfahrt mit. Im Fokus steht die an den Prinzipien der „arischen Erbgesundheit“ ausgerichtete medizinische Betreuung.
Mit den Geldern des Winterhilfswerks wird zum Beispiel das Hilfswerk für Mutter und Kind mitfinanziert. Für ihre propagandistischen Zwecke finanzieren die Nationalsozialisten durch die Spenden ebenfalls den Ankauf von 40.000 Volksempfängern für Österreich.
Bis 1942 steigen die Sach-, Material- und Geldspenden stetig. Ab 1943 nehmen diese aber ab, da die Bevölkerung unter der wirtschaftlichen Situation während des Krieges leidet.
Im Oktober 1945 verbieten die Alliierten das Winterhilfswerk.
Felicitas Freund (FSJ)